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ingenieurbüro für energie- und gebäudetechnik

veröffentlicht: 22.02.2011 · Bertram Witz | ibw

Natürliche Gebäudeklimatisierung

Unter Klimatisierung von Gebäuden wird im strengen Sinn die teilweise oder vollständige Beeinflussung der Raumlufttemperatur und –feuchte verstanden. Der Energieverbrauch für Gebäudekühlung ist insbesondere im Bereich der Büro- und Dienstleistungsgebäude in den letzten Jahren stetig gestiegen. Methoden der natürlichen Gebäudeklimatisierung gewinnen daher an Bedeutung.

Dieser Fachbeitrag behandelt im Wesentlichen die Beeinflussung der Raumlufttemperatur durch Gebäudetemperierung. Gleichwohl wurde der Titel „Natürliche Gebäudeklimatisierung“ gewählt, da dieser umfassendere Begriff besser geeignet erscheint, um den Fokus auf das sommerliche Temperaturverhalten von Gebäuden zu vermitteln. Immer häufiger bieten Hersteller bau- und anlagentechnisch kombinierte Lösungen an. Vor diesem Hintergrund umfasst natürliche Gebäudeklimatisierung weit mehr als den Verzicht auf elektrisch/mechanisch erzeugte Kälte.

Das Raumklima in Gebäuden entsteht aus einer Wechselwirkung mehrerer Faktoren. Zu diesen gehören um die Wichtigsten zu nennen:

  • Äussere Einflüsse (Temperatur, Solarstrahlung)
  • Gebäude (Sonnenschutz, Energiedurchlass, Luftwechsel, Temperaturspeicherkapazität)
  • Innere Einflüsse (Wärme, Feuchte, Gerüche etc.)

Die Häufigkeit hoher Raumtemperaturen im Sommer beeinträchtigt den Aufenthalt in Gebäuden vielfach stark. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • Gebäude leichter Bauart mit viel Glas
  • Verzicht auf Sonnenschutz
  • Keine Morgen- bzw. Nachtauskühlung
  • Hohe innere thermische Lasten

Neue Arbeitsstättenrichtlinie ASR

A3.5 Technische Regeln für Arbeitsstätten, Raumtemperatur

Der Gesetzgeber hat darauf aktuell reagiert und für Gebäude als Arbeitsstätten im Juni 2010 die neue Arbeitsstättenrichtlinie ASR A3.5 Technische Regeln für Arbeitsstätten, Raumtemperatur, herausgebracht. Die darin enthaltenen Ausführungen verweisen auf die Notwendigkeit, mit geeigneten Maßnahmen die zuvor genannten Ursachen für zu hohe Raumlufttemperaturen zu beseitigen bzw. ihnen entgegen zu wirken.

Bau- und anlagentechnisch kombinierte Lösungen
zur natürlichen Gebäude-Klimatisierung

Um dieser Herausforderung begegnen zu können haben Hersteller unterschiedlichste Lösungen entwickelt. So kann mit PCM-haltigen Baustoffen die Wärmekapazität bestehender Gebäude erhöht werden. Für Glasflächen gibt es z. B. aufziehbare Sonnenschutzfolien. Nachtauskühlung ist möglich über natürliche oder mechanische Lüftung oder über wasserführende Einbauten bzw. Bauteile wie thermisch aktive Decken oder Kühldecken.

Immer häufiger bieten Hersteller bau- und anlagentechnisch kombinierte Lösungen an. So kann eine PCM-haltige abgehängte Decke gleichzeitig als Kühldecke ausgeführt und beispielsweise an einen Kühlwasserkreis zur freien (Nacht-) Kühlung angeschlossen werden. Oder ein mit Frischluft und Wasser zum Kühlen (oder Heizen) durchströmter Fußbodenaufbau wird zur Luft- und Raumtemperierung eingesetzt.

Vor diesem Hintergrund umfasst natürliche Gebäudeklimatisierung weit mehr als den Verzicht auf elektrisch/mechanisch erzeugte Kälte.

Im Folgenden werden die natürlichen Verfahren der Kälteerzeugung behandelt:
(Um direkt zum gewünschten Punkt zu springen, klicken Sie bitte direkt auf die Aufzählung)


Den Fachbeitrag inklusive Fallbeispielen als PDF herunterladen.

Ventilatorgestützte Nachtkühlung

Eine Nachtlüftung kann in Gebäuden mit hohem thermischem Speichervermögen und moderaten inneren Wärmelasten den Raumkomfort signifikant verbessern. Allerdings setzt dies einen ausreichenden Luftwechsel von 3 h-1 oder höher voraus.

Weitere Kriterien für die Nutzung der Nachtlüftung im Sommer zur Kühlung sind:

  • Ein moderates Klima, bei dem die Nachttemperaturen außen über einen ausreichenden Zeitraum deutlich unter den Temperaturen im Gebäude liegen müssen.
  • Eine hinreichende Außenluftqualität (Gerüche, Schadstoffe, Feinstaub).
  • Einbruchsschutz und Sicherheitsauflagen.
  • Brandschutz und -auflagen.
  • Witterungswechsel wie z. B. Schlagregen und Wind.
  • Lärmschutz und Akustik


Eine freie Nachtlüftung ausschließlich über die Fenster ist daher in vielen Fällen nicht ausreichend machbar oder wirksam. Lösungen mit ventilatorgestützter Nachtlüftung müssen in Wechselwirkung mit dem Gebäude betrachtet und ausgelegt werden.

Rückkühlung (Freie Kühlung)

Trockene Rückkühlung

Bei der trockenen Rückkühlung zirkuliert Wasser in einem geschlossen Kreislauf, nimmt Wärme im Gebäude auf und gibt sie über einen Wärmetauscher an die Außenluft ab. Es kommt nur zu einer fühlbaren, sensiblen Wärmeübertragung an die Außenluft. Die erzielbare Kühlwassertemperatur liegt daher um den Kühlgrenzabstand des Wärmetauschers (ca. 4°K) höher als die jeweilige Außenlufttemperatur. Nachttemperaturen in Hitzeperioden liegen nicht selten über 20°C.

Die trockene Rückkühlung kommt für eine freie Kühlung von Gebäuden in den meisten Fällen daher nicht in Frage.

Nasse Rückkühlung
mit geschlossenem oder offenem Kühlkreis

Bei der nassen Rückkühlung wird entweder der Wärmetauscher mit Verdunstungswasser besprüht (geschlossener Kühlkreis) oder das im Kühlkreis zirkulierende Wasser wird in einem Kühlturm verrieselt, aufgefangen und wieder in den Kühlkreis aufgenommen (offener Kühlkreis). Es erfolgt eine sensible und latente Wärmeübertragung an die Außenluft.

Der offene Kühlkreis erreicht Kühlwassertemperaturen im Bereich der Feuchtkugeltemperatur der Außenluft, der geschlossene Kühlkreis liegt um ca. 4°K höher. Nachts beträgt die Feuchtkugeltemperatur auch während Hitzeperioden im Mittel weit unter 20°C.

Beide Verfahren sind daher sehr gut zur freien Kühlung geeignet. Allerdings ist zu beachten, dass der Wasserbedarf bei beiden und die notwendige Wasseraufbereitung bei dem offenen Verfahren ein wesentlicher wirtschaftlicher Aspekt sein können.

Adiabate Verdunstungskühlung

Bei der adiabaten Kühlung — auch Verdunstungskühlung genannt — wird die Luft, die aus dem Gebäude abgeführt wird, befeuchtet. Die Verdunstung von Wasser entzieht der Abluft Energie. In der Folge sinkt die Ablufttemperatur. Über ein hocheffizientes Wärmerückgewinnungssystem (WRG) wird die erzeugte Kälte von der Abluft auf die Zuluft, die in das Gebäude geführt wird, übertragen.

Mit dieser Art der Kühlung kann die Zulufttemperatur von 32°C auf ca. 22°C abgesenkt werden, ohne dass sich die Luftströme vermischen oder sich die absolute Zuluftfeuchte erhöht.

Da bei der Verdunstungskälte nur Wasser und Luft genutzt werden und Hilfsenergie lediglich für den Betrieb des Wärmerückgewinnungssystems und den Befeuchter gebraucht wird, ist eine gut ausgelegte adiabte Kühlung in der Regel eine sehr wirtschaftliche regenerative Kälteerzeugung. Mit 1 m³ Wasser lassen sich am Tag ca. 1000 m² Bürofläche kühlen.

LeseTipp: Im PDF zum Fachbeitrag (siehe unten) finden Sie noch ein Praxisbeispiel dazu.

Geothermische Kälte

In Tiefen bis ca. 100 m beträgt die Temperatur des ungestörten Untergrundes ganzjährig 8 °C bis 12 °C. Damit ist oberflächennahe geothermische Energie besonders für die Nutzung in Gebäuden mit Flächenheiz- und Kühlsystemen geeignet. Eine Nutzung dieses thermischen Energiespeichers kann durch verschiedene Systeme erfolgen:

Erdwärmetauscher
Erdkollektoren und Erdsonden

Mit dem Untergrund bilden horizontal (als Erdkollektoren) oder vertikal (als Erdsonden) verlegte Kunststoffrohre einen Wärmeübertrager. Das Wärmetauschersystem ist um so leistungsfähiger, je besser die thermischen Eigenschaften des Untergrundes und der Grundwasserverhältnisse sind. Systeme mit Erdsonden sind unabhängiger von den aussenklimatischen Bedingungen in der Umgebung als Systeme mit Erdkollektoren.

Energiefundamente

Sofern ohnehin notwendige Gründungspfähle, Fundamentplatten, Pfahlwände usw. nur zusätzlich mit einem Kunstoffrohrsystem ausgestattet werden müssen, sind diese Systeme besonders wirtschaftlich. Sie funktionieren analog den Erdwärmetauschern.

Die geothermische Energie kann abhängig vom notwendigen Temperaturniveau und der Leistungsfähigkeit des Systems auf vielfältige Weise im Gebäude genutzt werden. Im Sommer dient der Untergrund als Wärmesenke. Dem Gebäude wird die notwendige Kühlenergie entzogen und dem Untergrund zugeführt. Dies kann sowohl direkt als auch über eine Kältemaschine bzw. Wärmepumpe geschehen.

Grundwasser-Nutzung

Voraussetzung für die Grundwassernutzung ist, dass durch Saug- und Schluckbrunnen ein geschlossener und ausreichend ergiebiger Wasserkreislauf möglich ist und für den Standort eine grundwasserrechtliche Genehmigung erteilt wird. Der Aufwand für Instandhaltung und Betrieb kann abhängig von den lokalen Vorschriften und Gegebenheiten erheblich sein.

Raumkühlsysteme
zur direkten Nutzung der Erdkälte

Die mittels der vorgenannten Verfahren ohne eine konventionelle Kompressionskältemaschine auf „natürliche“ Weise bereitgestellte Kälte kann dem Gebäude über verschiedenartige Raumkühlsysteme zur direkten Nutzung der Erdkälte zugeführt werden:

Flächenkühlung

Das Temperaturniveau des aus dem Erdreich strömenden Trägermediums und die erreichbare Leistung (Wärmesenke) sind ausschlaggebend für die Eignung eines Raumkühlsystems:

  • Decken-, Wand- und Brüstungskonvektoren bis ca. 14 – 16 °C Austrittstemperatur aus dem Erdreich
  • Kühlsegel, Kühl- und Putzdecken mit Kapillarrohrmatten bis ca. 16 -18 °C
  • Bauteilaktivierung bis ca. 18 – 20 °C


Alle diese Systeme zur Raumkühlung können sowohl im Neubau wie auch bei der Sanierung eingesetzt werden (Bauteilaktivierung durch spezielle Systeme). Aufgrund der hohen Systemtemperaturen kann nicht entfeuchtet werden. Es muss daher darauf geachtet werden, dass die Vorlauftemperatur jederzeit sicher oberhalb der Taupunkttemperatur des Raumes liegt, damit an keiner Stelle des Systems unkontrolliert Kondensat auftritt.

Die Leistung des Systems wird dadurch insbesondere bei feuchtwarmer Witterung gedrosselt. Bei Bedarf kann ein derartiges System mit einem Klima- und Lüftungssystem kombiniert werden, bei dem die Luft auch entfeuchtet werden kann. Hierfür empfehlen sich insbesondere sorptive Systeme.

Hinweis: Im PDF (siehe unten) finden Sie an dieser Stelle noch ein praktisches Beispiel.

Erdreich-Luft-Wärmeübertrager

Erdreich-Luft-Wärmeübertrager werden eingesetzt, um bei einem Lüftungssystem die Außenluft im Winter vorzuheizen und im Sommer vorzukühlen. Hierzu wird die Außenluft über im Erdreich verlegte Rohrsysteme angesaugt und auf diesem Weg dem Lüf-tungssystem zugeführt. Bei sorgfältiger Planung, Installation und Wartung reduzieren diese Systeme den Heiz- und Kühlenergiebedarf für die Lüftung merklich. Eine weite Verbreitung haben derartige Systeme im Bereich der Wohnungslüftung gefunden.

Im Wohnungsbau steht üblicherweise der notwendige Platz zur Verfügung und die Dimensionen erlauben einen kostengünstigen Einsatz von geeigneten Rohrmaterialien und Systemausführungen. Vielfach werden auch größere Lüftungsanlagen zur Belüftung von Nichtwohngebäuden an Erdreich-Luft-Wärmeübertrager angeschlossen. Bei Beachtung der bis dato vorliegenden Erfahrungen mit dem Einsatz von Erdreich-Luft-Wärmeübertragern kann die Gewährleistung einer ausreichenden Lufthygiene selbst bei hohen Anforderungen etwa in Krankenhäusern als gelöst betrachtet werden.

Solare Kühlung

Im Folgenden werden Systeme beschrieben, welche solare Wärme zum Beispiel aus Sonnenkollektoren direkt oder indirekt für die Klimatisierung von Gebäuden verwenden können:


Nicht betrachtet wird Fotovoltaik in Verbindung mit konventionellen Systemen zur Kälteerzeugung.

Thermische Kälteerzeugung –
Klimakaltwassererzeugung aus Solarenergie

Thermische Klimakaltwassererzeugung basiert darauf, dass sich das in der Anlage befindliche Stoffpaar durch Wärmezufuhr trennt und unter Wärmeabgabe wieder vereinigt. Das eingesetzte Stoffpaar und das Verfahren bestimmen dabei die thermischen Randbedingungen.

Die heute für die klimatechnische Anwendung zur Verfügung stehenden Systeme sind:

  • Absorptionskälteanlagen mit dem Arbeitspaar H2O / LiBr (Wasser / Lithiumbromid)
  • Absorptionskälteanlagen mit dem Arbeitspaar NH3 / H2O (Ammoniak / Wasser)
  • Adsorptionskälteanlagen mit Silicagel und Wasser

Gegenüber konventioneller Kompressionskälte erreichen diese Systeme ab einem solaren Deckungsanteil an der Wärmezufuhr von 25 bis 40 % die Schwelle einer Primärenergieeinsparung.

Ein Vorteil solarthermischer Kaltwassersysteme ist, dass im gesamten System bekannte und kommerziell verfügbare Komponenten eingesetzt werden können:

  • Solarkollektoren
  • Thermische Kaltwassererzeuger
  • Alle verfügbaren Nur-Luft- und Luft-Wasser-Klimasysteme

Thermische Klimaprozesse –
Sorptionsklimasysteme

Konventionelle Klimaanlagen benötigen eine externe Kälteerzeugung zur Kühlung und Entfeuchtung der Luft. In Sorptionsklimasystemen kann die Luft über sorptive Materialien entfeuchtet und über die Verdunstung von Wasser (Verdunstungskühlung) gekühlt werden.

Eine gekoppelte Anordnung von Entfeuchtungskomponenten, Wärme-(Kälte-) Rückgewinnungssystemen und Wasserbefeuchtern in einem Klimazentralgerät ermöglicht eine vollständige Klimatisierung, so dass auf eine externe Kälteerzeugung verzichtet werden kann. Der Kälteprozess findet bei Sorptionsklimasystemen direkt in der Luft in einem offenen Prozess mit Wasser als Kältemittel statt.

Unterschieden werden in der Praxis zwei Systeme:

  • Sorptionsklimasysteme mit festen Absorbern
  • Sorptionsklimasysteme mit flüssigen Absorbern


Beide Verfahren arbeiten nach dem selben Prinzip. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass bei festen Absorbern der Absorber wechselweise von Zuluft und von Regenerationsluft durchströmt werden muss, während bei flüssigen Systemen die Absorptionsflüssigkeit zwischen Absorption und Regeneration gepumpt werden kann.

Damit der Prozess kontinuierlich ablaufen kann, muss das Wasser aus den Absorptionsmedien wieder entfernt werden. Diese Austreibung geschieht durch Wärmezufuhr. Vorteilhaft bei beiden Systemen ist, dass keine sehr hohen Temperaturen für das Austreiben des Wassers notwendig sind.

Sie sind daher prädestiniert für die Verwendung von solarer Wärme oder Niedertemperaturabwärme aus industriellen Prozessen. Beide Verfahren können somit überall dort eingesetzt werden, wo die Luft gekühlt und ggf. entfeuchtet werden soll.

Gleichzeitig ist bei diesen Systemen prinzipbedingt bereits eine sehr effiziente Wärme- und ggf. auch Feuchterückgewinnung vorhanden. Dies ermöglicht auch im Winter einen energieeffizienten Betrieb.

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